Manche Losungen sind wirklich Kacke ...
Greifswald (SPA): Ich schlug an einem Donnerstag vor drei Jahrzehnten in Greifswald auf. Zum Studieren und „umgelenkt“ von Dresden in diese Stadt, von der ich bis dahin gefühlt nur aus einem Gerichtsbericht in der Wochenpost gelesen hatte. Das Besondere an diesen Berichten: die Täter bekamen Tiernamen, die ebenso wie der Vorname mit der Initiale der Stadt begannen. Keine genaue Erinnerung, aber vermutlich hatte in diesem Fall der Greifswalder Günter Ganter ein gelbes Fahrrad gestohlen.
Wir waren 21 Leute in der Seminargruppe und bereits am Freitag fuhren deren 20 übers Wochenende wieder nach Hause. Gut, machte ich meinen Stadtrundgang eben alleine. Damals war noch alles DDR, gefallen hat es mir trotzdem. Auf den ersten Blick und trotz Start und Ziel in der Makarenkostraße. Denn die war noch ein ganzes Stück DDRer.
Logisch, Hannes, werden jetzt andere Menschen munkeln. Du kamst aus Hoyerswerda.
Die Zeit an der Uni hat mir schöne und weniger schöne Momente beschert. Irgendwann ist Frieden. Was bleibt, und das quirlt die Sehnsucht, wenn die Stadt für ein paar Jahre verlassen wird, sind die Menschen und Freunde. Ihre HERZlichkeit. Und jedem, der an Greifswald zweifelt, empfehle ich, am frühen Morgen das Rad zu besteigen und den Ryck entlang zu radeln. Bei sechseinhalb km/h besinnlich auf das nicht zu strömen scheinende Wasser schauen, das schwer am Nebel zu tragen hat. Am Ende des roten Weges gen Wieker Brücke winken und return.
Ich habe in den letzten Monaten sowohl mit einigen Befürwortern der Ablegung des Uni-Namens Ernst Moritz Arndt als auch mit dessen Bewahrern diskutiert. Es ging emotional zu, wurde es militant und persönlich, gab es ein Break. Immer meinerseits. Die Frage, die ich mir stelle, ob ich mit oder ohne glücklicher bin, kann ich aufrichtig mit Nein beantworten. In beiden Fällen. Meine Gesprächspartner, zumindest die wenigen, die deutlich Stellung beziehen, konnten oder wollten auf diese Frage nicht reagieren. Der Maßstab für das Glücklichsein hat sich verschoben.
Heute nun, in gut drei Stunden, erfolgt der Anpfiff für das nächste Xtel der enthemmten Arndt-Debatte. Eine Bürgerinitiative hat unter dem Motto „Arme Universität - die dunklen Seite der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald“ zum Rubenowplatz gerufen. Wie es deren Netzpräsenz verspricht, kommt es zu einer Foto-Ausstellung über den größten Arbeitgeber der Stadt. Verschmutzt-verkalkte Pinkelbecken, Lackschäden, abgeplatzter Putz …
Manche Losungen sind wirklich Kacke.
Es wäre ein cooles Zeichen gewesen und hätte von universitärer Eleganz und Kreativität gezeugt, würden sich die Menschen für die Zeit der Demonstration mit Kelle, Pinsel, Farbe, Mörtel, Schaber, Hammer, Sichel, Lorbeerkranz “bewaffnen“, um sich dieser Flecken in filigraner Handarbeit zu widmen. Sieh her, du Universität! Du und der Name Ernst Moritz Arndt sind uns wichtig und WIR gemeinsam kriegen das für Greifswald gebacken. (Ich schreibe das so, weil „Wir schaffen das“ ist negativ konnotiert). Stattdessen loben wir einen Preis für denjenigen aus, der den Holzwurm in Rektorin Webers Gestühl auf Zelluloid bannt. Mit Spänen. So schickt sich das in den Zeiten der Großen Entsolidarisierung. Totale Verhärtung statt gemeinsamer Demut über den Luxus zweier Hochschulstandorte im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.
Was wäre Greifswald ohne Universität? So geruchlos wie Hoyerswerda ohne Schwarze Pumpe.
Kommentar schreiben