Das Pi mal Pi des Fußballsports

 

Greifswald (SPA):  In vier Tagen steht mit dem Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft das nächste sportive Großereignis an. Mit Erstaunen haben wir bei vielen Gesprächen auf den Straßen unserer Stadt feststellen müssen, dass es in der Bevölkerung trotz der steten Medienpräsenz dieser Sportart immer noch Unklarheiten bezüglich einiger Begrifflichkeiten gibt. Wir unternehmen mit diesem Artikel einen Versuch, diesen Nebel aufzulösen und haben einen externen Fotografen (Dank an Mario Mielke) gebeten, uns durch die spielsituationsgebundene Ablichtung von Spielern des Greifswalder SV Puls visuell zu unterstützen. Mit einem kaiserlichen Grußwort.

Grußwort

„Es gibt heute tatsächlich Journalisten, die behaupten, ein di Stefano, ein Puszkas, ein Masopust, ein Charlton, ein Maradona oder ich hätten den Fußball verändert. Das ist ein Schmarrn. Die wahren Veränderungen spielen sich in den unteren Ligen ab. Dort, wo Fußballer zweimal am Wochenende auf dem Grün stehen. Dort, wo das Wort „Doppelbelastung“ offensiv am heimischen Bügeleisen entschärft und nicht für scheinheilige Ausreden daherhalten muss. Dort, wo die gesamte Facette des Fußballsports zu Hause ist. Dort, wo Trainergrößen wie Pep und Mou ihre Ideen für den großen Sport in den Profiligen finden. Dort, wo Spieler nicht Thiago oder Messi sondern Kreiselkalle oder Schulzi heißen. Das „Pi mal Pi des Fußballsports“ ist eine Fußballbibel, eine einzigartige Hommage an den Amateurfußball, die ihre kreisrunde Bahn um den Erdball ziehen wird."

- Franz Beckenbauer -

Der Eröffnungskreisel

Egal, welche Mannschaft die Anstoßwahl gewinnt – der Kreiselkalle im Team ist der erste Anspielpunkt. Der bittet den nächststehenden Gegenspieler zum Eröffnungskreisel, einen runden Schreittanz, der seit nunmehr 24 Jahren solange im Uhrzeigersinn um das springende, hüpfende Streitobjekt geführt wird, bis der Ball ruht. Berührt einer der tanzenden Spieler den Ball, bevor dieser zum Stillstand gekommen ist, wird der Kreisel wiederholt. In der Regel ruht die Kugel nach 15 bis 25 Sekunden. In Extremfällen, wie einst bei dem überpumpten Ball und dem verhaltensauffälligen Gegenspieler in Dambeck, ist der Referee angehalten, Richtungswechsel anzuordnen, die dem Schwindelempfinden der Tänzer entgegenwirken sollen.

Der Einwurf

Die Spieleröffnung per Einwurf ist im Amateurfußball grundsätzlich eine problemhafte. Unterklassige Schiedsrichter würden zudem kurze Einwürfe, wie sie in der Champions-League zu beobachten sind, grundsätzlich als „falsch“ zurückpfeifen. In den unteren Ligen wird primär Wert auf Haltung gesetzt – nebeneinander geschlossene Beine, Hohlkreuz, parallel geschwungene Arme, Wurfweiten über sechsachtzig usw.. Dies schränkt die Auswahl an Einwerfern innerhalb eines Teams enorm ein. Dass der Ball beim Mitspieler landet UND von diesem im Sinne einer erfolgsorientierten Spielfortsetzung verwertbar ist, wird zu einem Zubrot, das allen stochastischen Gesetzmäßigkeiten widerspricht. Da der Mensch mit 93 Prozent über Mimik und Gestik mit seinen Artgenossen kommuniziert, kann die Art und Weise des Zubrotes sehr schön an den Gesichtszügen des Einwerfenden abgelesen werden. Ein zitroniger Gesichtsausdruck zeugt dabei in der Regel von einem absehbaren, sofortigen Ballverlust. Einwerfende Amateurfußballer schauen sehr oft zitronig.

Die Koexistenz von unverstandener Traineranweisung und Ohrverwässerung

Im Wettkampf schließt sich bei einem geschulten Trainer bereits nach circa acht bis zehn Minuten der Erkenntnisprozess, ob die Schützlinge seine Anweisungen verstanden haben oder nicht. Mit klarer Tendenz zum „nicht“. Zu einem solchen Zeitpunkt der Partie befindet sich bei der Mehrzahl der Spieler dieser Prozess noch in einer embryonalen Phase. Dem modernen Trainer bleibt in diesem Moment nur, das erkannte Defizit durch den Ruf „Wasser im Ohr!“ zu korrigieren. Der angesprochene Spieler hüpft dann in Vier-Sprung-Sequenzen abwechselnd auf dem rechten und linken Bein, bis die Gehörgänge für das nun folgende verbale Coaching entwässert und somit empfänglich sind.

 

Das Spiel ohne Ball

Das Spiel ohne Ball ist wichtig und wird meist unterschätzt. Der Aktive nutzt die ballpassive Zeit, um Finalgon-ungetränkte Körperteile warmzuhalten: Nacken und Gemächt. Nacken durch Massage, Gemächt durch Schütteln. Hin und wieder auch umgekehrt. Dadurch werden wichtige Neurotransmitter wie Dopamin oder Oxytocin freigesetzt, was die allgemeine und umfassende Glückseligkeit am Fußballspiel fördert. Zumindest bis zum nächsten Einwurf.

Dirty Talk

Der Dirty Talk gilt als gewichtiges Instrument der psychologischen Spielführung. Die diesbezüglichen Traditionen gehen beispielsweise beim Greifswalder Puls bis weit ins letzte Jahrtausend zurück, als sich goldkettchentragende Spielführer gegnerischer Mannschaften entnervt nach 30 Minuten austauschen lassen mussten. Heute, wo dutzende Lippenleser die Zuschauerränge bevölkern, auch Referees in dieser Kompetenz bewandert sind, verschwinden traditionelle Schimpfwörter mit den Anfangsbuchstaben „W“ oder „A“ fast völlig von den Spielfeldern, müssen Verbalkanonaden zwischen den Zähnen herausgepresst werden. Die hohe Allgemeinbildung der Pulser Spieler, seit vielen Jahren festes Element bei der Vertragsgestaltung, hat zu einem enormen und kreativen Dirty Talk – Potential innerhalb der Mannschaft geführt. Trainer und Mannschaftsrat hängen in der Mannschaftsbesprechung Schautafeln mit unbekannten Wörtern aus - Ergebnisse tagelangen Brainstormings im internen Teamleiterkreis. Deren flexibler Gebrauch und die Artenvielfalt sind eines der großen Erfolgsgeheimnisse des GSV Puls. Gegenspieler, die als „Thermopyle“ oder „Custer“ bezeichnet werden, regenerieren am Computer und ergoogeln den ihnen während einer Fußballpartie aufgetragenen (Weiter)Bildungsauftrag.

 

Die Viererkette

Die Viererkette ist eine Weiterentwicklung der Dreierkette und die Vorstufe der Fünferkette. Dieses defensivtaktische Element wurde verschiedenen Kinderspielen aus dem Vorschulalter entlehnt und erfordert eine situative Parallelbalance bei den involvierten Spielern. Sie wird händchenhaltend trainiert, trocken und in diversen Spielformen. Im Wettkampf wird sie „eng“, z.B. bei Standards, oder „weit“, wie etwa bei Spielaufbau, gehandhabt.

 

Die Catenaccio

Die Catenaccio, nicht vergleichbar mit dem Catenaccio, ist das italienische Moment im Leben eines Linksverteidigers. Die hausgemachte Pizzakreation, natürlich kreisrund, belegt mit ovalen Oliven, Tomaten- und Zwiebelringen und zylindrig geschnitten Fleischstückchen, gehört bei ihm zum guten Ton der Post-Match-Versorgung. Dazu empfiehlt er ein Glas toskanischen Rotwein, beispielsweise einen Barolo.

Der schwarze Mann

Der schwarze Mann, mittlerweile auch in Rot, Gelb, Grün oder Blau erhältlich, ist das Salz in der Suppe jeder Fußballpartie. Bereits Darwin wies anhand von Rhesusaffen auf Madagaskar nach, dass sich im Baumgeäst jene Exemplare abseits der Gruppe positionieren, die dazu neigen, andere Affen zu reglementieren. Auf den Menschen übertragen birgt dieses Handlungsmuster gewaltiges Konfliktpotential, das auf einem Fußballfeld in Situationen wie dieser mündet, in der ein schwarzer Mann das Angebot, vom Platz transportiert zu werden, rigoros ablehnen muss.

Das Pressing

Während das Pressing in den höheren Ligen geschlossen in allen Mannschaftsteilen vollzogen wird, haben Teams im Amateurbereich mit viel Aufwand ein autogenes bzw. individuelles Pressing entwickelt. Einer presst, der Rest ruht sich aus. Das Pressobjekt kann dabei variieren. Im günstigsten Fall ist dies der Ball. Manchmal auch der Schiedsrichter, der Wind, die Wasserflasche oder der gegnerische Fan am Spielfeldrand. Selbst Fälle von Scheinpressing wurden bereits beobachtet, in denen Spieler spontan die Viererkette verlassen und sich erst durch strikte Kommandos wieder in die ursprüngliche Formation zurückholen lassen.

Die Raumdeckung

Die Raumdeckung ist das Gegenstück zur Manndeckung. Voraussetzungen für eine effektive Raumdeckung sind ein taktisches Spielverständnis, die Fähigkeit zur Antizipation, Schnelligkeit. Und andere. Grundsätzlich gilt: Je weiter der Ball vom Spieler entfernt ist, desto mehr Raum darf er decken. Für die Suche nach möglichst großem Raum wird daher empfohlen, sich bei einem Eckball in die Nähe der diagonal aufgestellten Eckfahne aufzuhalten (Anm.: Diese Theorie ist schwieriger zu begreifen als die Abseitsregel. Wir empfehlen bei Nichtverstehen dringend, eine Skizze anzufertigen).

 

Die Umkehrbewegung

Umkehrbewegungen werden notwendig, falls die technisch versierte und kreative Offensivabteilung mal den Ball verliert. Diese Moves können, da es unerlässlich ist, den Blick weiterhin gen Ball zu wenden, zu enormen Verspannungen im heckwärts angebrachten Wirbelbereich, in weniger koordinativ ausgeführten Fällen gar zu Quetschungen im Unterleibbereich führen. Bei der Umkehrbewegung im Fußball stoßen Spieler somit an Grenzen, die durch die Anatomie des menschlichen Körpers streng gezogen sind. Umso bedeutender ist das Spiel ohne Ball (siehe oben).

 

 

Die enge Ballführung

Während in höheren Ligen die Ballführung bei Dribblings, Flügelläufen oder anderen Spielsituation trotz Bedrängnis eine enge ist, kann diese in den unteren Spielklassen meist nur weitab vom Gegner in der torungefährlichen Zone beobachtet werden. Wenn der Gegner nicht presst, der Spieler sich langsam aus der passiven Raumdeckung in Richtung der Mittellinie bewegt, fühlt er sich oft bemüßigt, den Ball für einen kurzen Moment eng zu führen. Auch, um seine feinmotorischen Skills zu testen. Bei der Mehrzahl heutiger Amateurfußballspieler trägt die enge Ballführung eindeutig experimentellen Charakter.

 

Die Flugbahnbeeinflussung

Jahrelange Kleinstarbeit im Training, einhergehend mit kooperativen Forschungen am hiesigen Universitäts-Lehrstuhl für bekannte Flugobjekte, versetzen einige Spieler des Greifswalder SV Puls in die Lage, allein durch Drehen des Oberkörpers die Flugbahn von Fußbällen zu beeinflussen. Leider gehören Amateurfußballer auch zu jener Spezies, die eine Flugbahn selbst abgefeuerter Bälle nicht steuern kann.

Die Mauer

 

Mit dem Beginn des Baus der Großen Chinesischen Mauer vor fast 2800 Jahren hielt dieses Defensivelement auch Einzug in den Fußballsport. Positionierten sich damals noch alle 11000 Mann einer Mannschaft in einer solchen Mauer, führte die Reduzierung der Teamstärken auf aktuell elf Spieler zahlenlogisch zu einer Reduzierung der Mauerprotagonisten. Indirekt proportional stieg dazu das Interesse von Verhaltenspsychologen und Mauerschutzverantwortlichen, die aufwendig evaluieren und analysieren, welche Körperteile jedes Individuum an welcher Position der Spielsituation als schützens- und bewahrenswert empfindet.  

 

Die Adduktoren

 

Als gesundheitlicher Hochrisikobereich im Fußballsport gelten die Adduktoren, eine Muskelgruppe im oberen Oberschenkelareal. Auf Unwissende mag die Betrachtung minutenlanger Behandlungen schmerzgefähdeter Zonen vor und während einer Fußballpartie befremdlich wirken. Letztendlich dient die Automassage von Triggerpunkten jedoch nur dazu, langwierigen Verletzungen vorzubeugen und ist heute als Präventionsmaßnahme auch im Amateursport anerkannt. 

Der Frisurtrick

 

Die Handhabe kleiner Fußballverbände, Spielleiter bereits Tage vor dem Anpfiff bekanntzugeben, ermöglicht es recherchewilligen Spielern, noch vor der Partie denselben Frisör wie der angekündigte Referee aufzusuchen. Ihre Nachhaltigkeit erfährt diese Maßnahme dann bei der Begrüßung auf dem Spielfeld, bei der sich der kongruent frisierte Spieler per Handschlag beim Schiedsrichter vorstellt und sich zeitgleich mit der linken Hand über den Schopf streicht. Manchmal sind es Kleinigkeiten, die über den Pfiff eines Referees und letztendlich den Ausgang eines Spieles entscheiden können. Vorsicht: Bei Ansetzung einer Spielleiterin hat sich dieser Trick als völlig wirkungslos, in vielen Fällen gar als nachteilig erwiesen.

 

Der Tango

 

Hartnäckig hält sich im Volke das Vorurteil, dass Fußballer nicht zu den geschmeidigsten Tänzern gehören - der eingangs erwähnte Eröffnungskreisel besitzt leider nicht das Potential, in den Olymp der Standardtänze aufgenommen zu werden und gleichberechtigt neben solchen Nummern wie Rumba oder Cha Cha Cha zu stehen. Der Mehrzahl der Aktiven läuft dieser Vorwurf an den Zwölfer Edelstahlstollen vorbei. Anderen Spielern geht dieses Klischee sehr an die Nieren und kann zu furchtbaren Ersatzhandlungen während einer Fußballpartie führen. Hier sehen wir einen Spieler, der fernab der eigentlichen Spielsituation versucht, ein formvollendeten Tangoschritt aufs Grün zu zaubern. 

 

Der Spielkreisel

 

Anders als beim temporeduzierten Eröffnungskreisel stürzen während einer Partie Beteiligte adrenalingesteuert mit viel zu hoher Geschwindigkeit in ähnliche Spielsituationen. Der gefährliche Mix von Erdrotation, Corioliskraft, zentrifugalen Mächten und Westwindexposition führt nun dazu, dass der Spieler den Kreisel umgehend mit einer um den Faktor 3,4 beschleunigten Geschwindigkeit wieder verlässt und nach der mit rudernden Armen zurückgelegten Distanz von 24,32 Metern östlich des induzierenden Geschehens zu Fall kommt.

Bildquelle (Franz Beckenbauer): www.kicker.de

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 6
  • #1

    Lieselotte (Sonntag, 10 Juni 2018 12:38)

    Mit Fußball kenn ich mich ja nicht sonderlich gut aus. Aber ein Schmarrn ist eine süße Mehlspeise. Und der Kaiserschmarrn - um den es sich ja in diesem Fall handeln dürfte - ist eine Zubereitung aus Palatschinkenteig! Und um jetzt mal ganz ehrlich zu sein, den Rest von dem was der da erzählt, versteh ich auch nicht. Was wird mit dem Bügeleisen entschärft und wo ist welche Facette des Fußballsports zuhause?

  • #2

    Sheldon Gently (Sonntag, 10 Juni 2018 12:57)

    "...die ihre kreisrunde Bahn um den Erdball ziehen wird." So, so!

    Und dann: "Der gefährliche Mix von Erdrotation, Corioliskraft, zentrifugalen Mächten und Westwindexposition führt nun dazu, dass der Spieler den Kreisel umgehend mit einer um den Faktor 3,4 beschleunigten Geschwindigkeit wieder verlässt und nach der mit rudernden Armen zurückgelegten Distanz von 24,32 Metern östlich des induzierenden Geschehens zu Fall kommt."

    Da wird wieder versucht, ganz nebenbei den Eindruck zu erwecken, als ob die Erde mit großer Selbstverständlichkeit rund sei und sich auch noch dreht.
    Die Taktik ist immer die gleiche. Es wird etwas stillschweigend vorausgesetzt, was gar nicht stimmt, und dann hilft man mit einer pseudowissenschaftlichen Genauigkeit (Faktor 3,4 - 24,32 Meter) nach, um Glaubwürdigkeit vorzutäuschen!

  • #3

    the kreisel (Montag, 11 Juni 2018 10:44)

    ...gib einer dem manne -> Hannes <- ´ne hacke in die hand & 10m beet - die langeweile setzt ihm gar arg zu !
    :)

  • #4

    Ricarda Bolithos (Montag, 11 Juni 2018 12:27)

    Ja! 10 Meter Beet für eine Permakultur! Endlich mal was Vernünftiges!

  • #5

    Lieselotte (Montag, 11 Juni 2018 12:28)

    Eine soziale Permakultur?

  • #6

    Ricarda Bolithos (Montag, 11 Juni 2018 12:29)

    Ach, Lieselotte :o(