Die Krux der Diagonale

 

 

Greifswald (SPA): Die beschleunigte, den Menschen hetzende Welt stellt die Gesellschaft vor immer neue Herausforderungen. Nehmen wir das Warten auf grüne Ampelsignale. Es kostet Zeit. Nehmen wir das Konfliktpotential Fußgänger/Radfahrer hinzu, das sich in den Stoßzeiten ergibt. Respekt und Rücksichtnahme kosten Zeit. Zeit, über die wir uns definieren, die unseren Tag bestimmt. Die wir anderswo verbringen könnten.

 

Schon sind wir bei einer Idee. Der Idee von der Diagonalquerung über die Europakreuzung, dem größten und berühmtesten Verkehrsknotenpunkt der Universitätsstadt.

 

Lange nix von dieser Innovation gehört. Die OstseeZeitung titelte einst, im März 2013, gar: „Der langsame Tod der Diagonalquerung“. Um im November 2014 das Prestigeobjekt wieder in die Agenda zu hieven. Die allgegenwärtige Hoffnung auf eine Realisierung des Projektes labt sich an der Gegenwart eines die Querung bejahenden grünen Bürgermeisters und blüht nun, im ersten Frühjahr unter dessen Ägide, wieder auf.

 

Als tägliche Mehrfach-Tangentialquerer der Europakreuzung beobachteten wir Menschen, die inmitten des linksabbiegenden Fahrzeugstroms die Kreuzung diagonalisierten. Und am Ende des Liedes schnappten uns diese Leute beim Lila Bäcker die letzten zwei Zwillingsbrötchen weg. Das ließ uns ein bissel neidisch werden. Wir, die SPA, gingen eine Kreuzungsfeldanalyse an.

Im Folgenden feuern wir zehn Argumente in die schwelende Diskussion, die in mehr als einem Dutzend Feldversuchen unter Einsatz teuren Lebens und billigen Equipments gesammelt wurden:

 

      1)  Pro: Die Diagonalquerung bringt das Herz aus dem alltäglichen Trott und vermehrt den Adrenalinausstoß.

      2) Pro: Die Zeitersparnis beträgt durchschnittlich handgestoppte 2:43,17 Minuten. In dieser Zeit könnte sich jeder Bürger der Stadt ein drittes Mal die Zähne putzen.

      3) Pro: Wir registrierten zwei Elfjährige, die sich von unserem Tun ermutigt, an unsere Hinterräder hefteten. Eine Überquerung = Zeitersparnis für drei (sicherlich ausbaubar).

      4) Kontra: Das Vorkommen minderjähriger Trittbrettfahrer kann nicht ausgeschlossen werden.

      5) Pro: Die Kreuzung füllt sich mit Musik. Um das Hupen zu koordinieren, wäre ein Hupdirigent auf einem Kreuzungspodest denkbar.

      6) Kontra: Das Hupen widerspricht dem ebenfalls angedachten Lärmaktionsplan.

      7) Kontra: Ein Hupdirigentkreuzungspodest müsste umfahren werden.

      8) Pro: Die Konzentration der Autofahrer wird gefördert.

      9) Kontra: Zwei Autofahrer(innen) wirkten hyperkonzentriert und verursachten beinahe Auffahrunfälle.

      10) Kontra: Selfies sind möglich, aber davon ist abzuraten. Die Bilder neigen zur Unschärfe und nicht jedes Gesicht eines kollateral mitgeknipsten Fahrzeugführers wirkt fotogen.

 

Da wir als seriöse Agentur kein bloßes „Die Diagonalquerung muss weg!“ in die abgasgeschwängerte Luft absondern wollen, präsentieren wir natürlich auch einen Vorschlag für Bürger, die auf die Selbsterfahrung Diagonalquerung Europakreuzung nicht verzichten möchten.

 

Tusch.

 

Wir schlagen die Installation eines Metallvermieters an den Kreuzungssignalelementen vor. Jeder potentielle Diagonalquerer erhält gegen eine Leihgebühr von 7,50€ (bitte passend!) einen Metallring oder ein Armkettchen. Für deren Empfang gelten Name, Adresse und die Kontonummer eines Angehörigen als Pflichtangaben. Letzteres ist notwendig, um im Schadensfall die Leihgebühr zurücküberweisen zu können. Die erforderlichen Formalitäten beanspruchen laut der von uns durchgeführten Proben ein Zeitfenster von maximal nur vier Ampelphasen! Sollte die Bürgerschaft sich zur Installation einer App entschließen können, würde sich dieser Vorgang deutlich verkürzen.

 

 

Die Lösung: Ringe und Ketten aus Metall. Ausleihen und los geht´s. Bei Ankunft wieder abgeben.

Die Metallteile sind in einheimischen Kleinkunstwerkstätten mit wertvollen Insignien versehen worden, die jedes zu einem Unikat machen: Hase, Wiesel, Marder, Feldmaus etc.. Die einheitliche Symbolik: Klein, aber schnell. Diese Insignien ermöglichen im Schadensfall, gerät zum Beispiel ein Diagonalquerer zwischen zwei Karosserien, eine eindeutige Identifikation. Das macht das Hinzurufen von Kriminaltechnik zur Ermittlung von DNA oder Zahnabdrücken völlig überflüssig. Dieser Vorgang wird nun vereinfacht und auf fünf Arbeitsschritte reduziert: Ring ab, gucken, aha: Hase, Blick ins Leihprotokoll, alles klar: Herr Mustermann.

 

Und Frau Mustermann hat zwei Kalendertage später schon Siebenfuffzig auf´m Konto.   

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Knepulle (Donnerstag, 05 Mai 2016 07:38)

    Das Wort zum Herrentag, her(r)lich!