Das Maskottchen im Schuhhagen

 

 

 

Hat ihren Stammplatz: Möwe vor Fisch 13

 

 

Greifswald (SPA): Hunger macht missmutig und sie hat Hunger, als sie von der Arbeit kommt. Der Kühlschrank geht auf, das Innere wird inspiziert. Dann fällt die Tür wieder zu und seufzt. Sie seufzt auch. Viermal. Ich deeskaliere: „Ich geh` nochmal los und hol dir was.“ Sie besänftigt: „Musst du nicht. Kann mir doch etwas Kleines machen. Zum Sport möchte ich dann auch noch.“ Kleine Pause. „Außerdem hat doch sowieso schon alles zu.“

 

 

 

Ich bin ein Mann und habe längst in den Versorgungsmodus geschaltet. Meine Speerspitze ist frisch aus Feuerstein gehauen und ich habe einen leichten Lendenschurz (eine schwarze Turnhose) angelegt, mit dem ich mich elastisch und behände durch mein Jagdrevier bewegen werde. Meine Augen heben sich zur Sonne und lesen Sechs nach Sechs. Mitteleuropäische Sommerzeit. Dann schau ich dem Hunger entschlossen in die Augen und sage: „Ich find` schon was.“  

 

Vier Minuten später biege ich an der Telekom-Ecke in den Schuhhagen. Ich spähe im Passierschritt in den Service-Point, aber mein Lieblingsberater ist nicht im Dienst. Nun aber: Konzentration. Denn schräg gegenüber befindet sich der Laden, in dem ich meine Nahrungssuche krönen möchte. Fisch 13. Eine Verkäuferin ist in diesem Moment dabei, die Türsperre zu entfernen. Ich entdecke die Öffnungszeiten und vernehme eine innerbetriebliche Statusmeldung: gute zehn Minuten drüber.

Mit gezücktem Portemonnaie trete ich an die junge Frau heran, grüße freundlich und frage: „Kann ich von Ihnen noch etwas bekommen?“ „Natürlich. Schauen wir mal, was wir noch da haben.“ Und im Hineingehen: „Ein Fischbrötchen?„Ja …“, und nachdem mein Blick auf die kleine Schiefertafel am Tresen gefallen ist, wandert mein Speerspitzen-Zeigefinger dahin,  „… hier, so eines mit Matjes und Erdbeeren.“  Hat ihr beim letzten Mal auch prima geschmeckt.

 

 

Möwe mit Masskottchen-Potential. Den richtigen Laden noch nicht gefunden.

Im Angesicht der netten Verkäuferin, die soeben mit geschickten Händen ein Weizenbrötchen aufschneidet, und mit der Zufriedenheit des Jägers, der kurz vor dem erfolgreichen Abschluss seines Versorgungsauftrages steht, werde ich schmeichlerisch:  „Das finde ich toll, dass ich bei Ihnen noch etwas bekomme, wo wir doch schon gute zehn Minuten drüber sind.“ Sie gibt locker zurück:  „Wir schicken doch keine Kunden weg. An manchen Tagen ist um diese Zeit noch richtig was los.“

 

Wenig später tritt sie aus der Fischbrötchen-Zubereitungs-Nische hervor und beginnt damit, die georderte Ware sorgfältig einzuwickeln. Mein Blick spaziert über die Auslage und es überkommt mich ein Gefühl. Appetit. „Können Sie mir auch noch einen Brathering einpacken.„Na klar. Gleich den hier?“. „Der sieht fantastisch aus.“  Sie packt das gewünschte Exemplar in einen kleinen Behälter und ihr Augen schweifen nach draußen. „Haha. Unser Maskottchen ist wieder da.“

 

Ich sehe in dieselbe Richtung und muss lachen. Einst erlebte ich, wie zwei Kölner Touristen mich an dieser Stelle nach dem Weg zum Fischmarkt fragten und sich heftig erschraken, als die Möwe, die sie wohl für eine originelle Dekoration hielten, mit kräftigen Flügelschlägen in die Luft abhob. Jetzt sitzt sie erneut da, auf einem der Stehtische, den sie offenbar zu ihrem Stammplatz erklärt hat. Ich wende mich wieder der Verkäuferin zu, bezahle und bedanke mich. „Lustig! ...“, sage ich noch zum Abschied, „… mein Kumpel hat mir gestern erst ein Foto von der Möwe geschickt. Dazu wollen wir mal eine Geschichte machen.

 

Sie schmunzelt: „Ja. Machen Sie mal.“

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    XY und Z (Donnerstag, 26 Mai 2016 21:36)

    Herrlich! ... eine schöne Geschichte.