Der Mann, der in Island blieb

 

 

 

Olafsvik um 21 Uhr: Holnar Andreson beim Individual Viewing

 

 

 

 

Olafsvik (SPA): Soeben erfolgt der Anstoß für das erste Gruppenspiel der Isländer gegen Portugal. Jene Nordmänner, die kein Ticket für das Stadion ergattern konnten, feiern ausgelassen in den Straßen und Pubs von Saint Etienne. Einer nicht.

Bereits einen Tag, nachdem sich die isländischen Fußballer für die Endrunde der Europameisterschaft in Frankreich qualifizierten, trifft sich am 7. September 2015 das Inselvolk in der größten Turnhalle Reykjaviks. Beim größten Losentscheid der isländischen Geschichte soll es nur einen Verlierer geben. Den, der aus der großen Trommel das Los mit dem Buchstaben „R“ zieht. R wie Rivet. Auf Deutsch: Niete.

 

Ich finde Holnar Andreson in Olafsvik, einer Stadt ganz im Westen der Insel, eine gute Autostunde von Reykjavik entfernt. Nun sitzt er auf der Terrasse seiner Zweiraumwohnung, die noch vom harschen Schnee des letzten Winters bedeckt ist. Er schaut gebannt auf einen 90 Zoll-Bildschirm, der an einer Wand auf der gegenüberliegenden Seite angebracht ist. „Individual Viewing.“, sagt er mit einem verschmitzten Lächeln und nimmt einen Schluck vom polnischen Exportbier.  

 

Er habe einfach Pech gehabt, erzählt Andreson. Aber er freue sich riesig für die Anderen und mittlerweile habe er auch seinen Spaß an der Situation. Einmal am Tag steigt er auf sein Motorrad und umkreist den Inselring, um nach dem Rechten zu sehen. Diesen Genuss, diese meditative Stille, umgeben von einer einzigartigen Landschaft, könne ihm keiner nehmen.

 

Portugal geht in Führung. Andreson nimmt es nordisch gelassen und ist zuversichtlich: „Das schaffen wir noch!“ In der Halbzeit zeigt er mir seine Kühltruhe. Vorrat für vier Wochen. „Vier?“, frage ich. „Na ja. Finale. Einen Tag feiern in Paris. Und am nächsten Tag sind alle hier und die Geschäfte sind wieder geöffnet.“, sagt Andreson und seine Augen leuchten dabei.

 

Die 50. Minute in Saint Etienne. Bjarnason trifft zum Ausgleich. Holnar Andreson springt aus dem Stuhl und jubelt. Wie nur ein Isländer jubeln kann.

 

„Siehst du! Wir schaffen das!“

 

 

 

Andreson jubelt: Soeben fiel das 1:1 für Island.

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