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 Endlich da: Ninas Trabi

 

 

 

 

 

Greifswald (SPA): „Das ist eine der größten Überraschungen meines Lebens.“ Christiane Zink, wohnhaft in der Greifswalder Fleischervorstadt, kann die Tränen des Glücks kaum zurückhalten. „Ich hatte die Reservierung schon längst abgehakt. Dann kam gestern ein Anruf aus Zwickau und heute steht er da.“ Sie legt eine Hand auf die Motorhaube und nun rollt sie doch – die erste Träne.

 

Als Christiane Zink, damals 39, am 4. April 1989 von der Schwangerschaft ihrer Tochter Melanie (Anm. der Redaktion: benannt nach einem großen Hit der Puhdys) erfährt, begibt sie sich sofort in das Fachgeschäft für Kraftfahrzeuge in der Anklamer Straße. Dort stellt sie einen Reservierungsschein für einen PKW Trabant aus, wird freundlich auf eine Wartezeit von 13 Jahren hingewiesen und denkt: Dann ist er vielleicht zur Jugendweihe da.

 

Nina (Anm. der Redaktion: benannt nach einem großen Hit von Udo Lindenberg) wird am Tag des Mauerfalls geboren. Christiane Zink hat da bereits tausende Ostmark angespart und in einem Kissenbezug verstaut. Zweimal organisiert die Regierung in den folgenden Jahren eine Währungsreform, zweimal kramt Christiane den Bezug aus dem Bettkasten und zweimal wird er mit neuen Geldscheinen bestückt. Heute holt sie das geblümte Stück Stoff ein letztes Mal hervor und schlägt mit einer Barzahlung beim persönlich anliefernden Vertreter der Sachsenring-Werke sogar drei Prozent Skonto heraus. Nina, das geliebte Enkelkind, ist wie Melanie inzwischen aus dem Haus und aus der Stadt. Melanie zog es schon 1993 nach Kassel, Nina heiratete letztes Jahr in die Schweiz.

 

„Muss ich ihn halt selber fahren.“, meint Christiane Zink trotzig.

 

Der Automobil-Hersteller kommt ihr bei diesem Anliegen entgegen. Denn auch am Zwickauer Stammwerk sind die letzten 27 Jahre nicht spurlos vorübergegangen. Während die Form der Karosserie einen hohen Wiedererkennungsgrad aufweist, basiert die Antriebsstärke des Trabant 2.0. plus auf den neuesten Erkenntnissen der Zwei-Takt-Motortechnologie. Da sich die bundesdeutschen Kraftstoffanbieter bis heute diesem Trend verweigern, muss das Öl manuell eingespritzt werden. Der mit Rizinus angereicherte Zusatz ist in einem Umfang von 75 Litern incl. Einspritzröhrchen im Lieferpaket enthalten. Das Tankvolumen des Trabants ist auf satte 28 Liter gewachsen, was z.B. bei einer Fernreise Greifswald-Leipzig und entsprechend sparsamer Fahrweise (der Saugeffekt im Windschatten größerer Fahrzeuge wird in der Bedienungsanleitung ausdrücklich empfohlen) eine erste Tankstellenanfahrt bis Höhe Dessau erfordert. Der Ausstoß von Schadstoffen kann traditionell durch den Fahrzeugführer per einfacher Bedienung des Gaspedals gesteuert werden. Auf digitale Spielchen, die ein regelmäßiges Software-Update erfordern, haben die Ingenieure komplett verzichtet.

 

Geizen die Hersteller noch bei der technischen Serienausstattung, so haben sie im Inneren des Fahrzeugs fleißig Pluspunkte gesammelt. Ausgewähltes Design und klassischer Komfort lassen Freunden einer gediegenen Innenraumromantik das Herz aufgehen. Die Sitze sind partiell mit dekorativen Wildlederelementen aufgewertet worden. Sollten sich die Engpässe auf dem globalen Ledermarkt entspannen, verspricht der Hersteller seinen Kunden einen kostenlosen Rundumbezug in einer wohnortnahen Vertragswerkstatt. Um den Zustieg für einen dritten und vierten Fahrgast zu erleichtern, können die Frontsitze per Knopfdruck leicht aus dem Auto entfernt werden. Der Wiedereinbau nimmt mit ein wenig Übung nur zwanzig Minuten in Anspruch.

 

Das Armaturenbrett heißt jetzt Cockpit und wurde ein wenig angeschrägt, was den bei älteren Modellen von großwüchsigen Nutzern (über 1,45m) bemängelten Anstoß der Knie verhindert. Zudem bietet das neugestaltete Cockpit dem Fahrer die Möglichkeit, sein Kinn während langwieriger oder komplizierter Lenkvorgänge abzulegen. Für diesen Zweck haben die Konstrukteure gleich links neben dem Lenkrad ein kreisrundes Schaumstoffelement in die Armatur gearbeitet. Diese Innovation macht das Fehlen einer Servolenkung wieder wett. Die Handschaltung befindet sich nach wie vor zentral im Cockpit auf Höhe der Brustnippel, ist dabei formvollendet in eine High Tech Anlage aus dem Hause Robotron integriert. Die multifunktionale Musikanlage (UKW und KW) lässt sich bequem über ein dreißigknöpfiges Bedienungsset am Schalthebel regeln.

 

Ein hübscher Nebeneffekt: Christiane Zink wird mit dieser Anschaffung zu einer Vorreiterin bei der Beseitigung der prekären Parkplatzsituation in Greifswalds Innenstadt. Wie die Parkplatzvermesser des hansestädtischen Ordnungsamtes euphorisch verkünden, könnte durch das Befüllen der Stellplätze mit dem neuen Trabant 2.0. plus die momentane Zahl der Parkflächen um ein Fünftel erhöht werden.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    XY und Z (Sonntag, 18 September 2016 14:57)

    Wunderbar und amüsant!