Greifswalder Losungen

 

Losung in der Draufsicht (auch Fluchtansicht).

 

 

 

Greifswald (SPA): Es war im Sommer 2002 in der Wildschönau (Tirol). Mein Sohn (11) und ich sind auf dem Rückweg von einer ausgiebigen Bergwanderung, auf der er stolz vier Gipfelstempel gesammelt hat. Nun stapfen wir einen breiten Kiesweg entlang, der uns in Serpentinen wieder ins Tal führt. Nachteil: am Hang stehend sieht der Wandersmann, an welcher Stelle er sich in etwa fünfzehn Minuten befinden wird.

 

Ich schalte das Abenteuerlevel  mit den Worten „Wir kürzen ab“  von Eins auf Sieben. Runter vom Weg, aber es wird steiler als gedacht. Hin und wieder müssen wir hüpfen. Irgendwann lässt sich mein Lütter mit schmerzverzerrtem Gesicht ins niedere Geäst fallen und hält sich bitter jammernd den Knöchel. Als besorgter Vater eile ich hinzu und trete ganz in seiner Nähe in etwas Feuchtglattes.

 

Für den Bruchteil einer Sekunde, just als mir meine gestreckten Füße den Blick in die Horizontale versperren, beginne ich mit stochastischen Berechnungen bezüglich eines elegant gestandenen Telemarks. Ich verwerfe, als die mit der Erdanziehung korrelierende Gegenbewegung einsetzt. Unter Begleitung eines dumpf glucksenden Geräusches lande ich mit meinem Gesäß sehr mittig in einem Fladen, den eine ausgewachsene Kuh nach einer wochenlangen Verstopfung hier gesetzt hat, für dessen radiale Vermessung meine Schuhe bei weitem nicht genügen (ich trage Größe 44) und der noch nicht vollständig durchgetrocknet ist. „Kacke.“, sage ich. So wie ich immer Kacke sage, wenn ich in Begleitung von Kindern in Kacke trete. Dann widme ich meinen entgeisterten Blick dem Filius. Der krümmt sich zwei Meter neben mir vor Lachen im Niederholz und hat jeden Schmerz vergessen.  

 

                                                       Losung in der Bückperspektive (auch Entsorgungsansicht)

 

An einem Herbstmorgen 2016 laufe ich am Zaun des Humboldt entlang. Auf dem Weg zum Bäcker entschließe ich mich zu einem Abstecher in Richtung Mensa, um das dort aushängende städtische Veranstaltungsangebot zu studieren. Ich schwenke also nach rechts und trete in etwas Feuchtglattes. Klein genug, dass die einsetzende Haltungsanormale mit einer rudernden Armbewegung und einem nur für Fachleute sichtbaren Hüftschlenker sturzpräventiv ausgeglichen werden kann. Ich schaue nach hinten, dann auf die angehobene Sohle meines rechten Schuhs und sage: „Kacke.“  Da in unmittelbare Nähe eine junge Mutti ihre Kleine belehrt: „Siehst du! Deswegen sollst du immer aufpassen, wo du hintreten tust.“

 

Auf der Suche nach einer reinigungsfähigen Grünfläche hüpfe ich auf dem linken Bein, schließlich möchte ich die Losung nicht auf dem Pflaster verteilen, quer hinüber zur Zeitungskiosktoilette. Dieses architektonische Wunderwerk wird mir mit seinen Spiegelarrangements eine gründliche Säuberung auf Sicht gewährleisten. Grünfläche gleich nebenan – alles bestens. Kaum habe ich den Rasen betreten, soeben den rechten Fuß auf städtisches Grün gesetzt, bemerke ich unter dem linken etwas Feuchtglattes. Ganz großer Bernhardiner, denke ich und fluche: „So eine Scheiße!“

 

Einen Tag später bin ich in Eldena unterwegs. Gibt es denn den Greifswalder Rosenmann noch? 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0