Vogelstimmen im Exil

 

 

 

Flaggen und Vögel: Kneipenquiz im Exil

 

 

 

 

 

Greifswald (SPA): Schon beim Ablegen meiner Jacke entzaubert mich Arni: „Sportquiz? Heute ist Audiovision. Sport ist erst in vier Wochen.“ „Na toll.“, sag ich. „Habe alle Europameisterinnen der Rhythmischen Sportgymnastik seit 1870 intus. Keule und Band. Kostete mich eine Mittagspause.“ Ich bestelle ein Jever und bitte meinen Kopf, alle Namen mit den Endungen ova und ina für vier Wochen ins brainale Exil zu schieben. Derweil kündigt Longus Maximus, seines Zeichens Quizmaster in dieser Location, die erste Visuell-Kategorie an: Flaggen unbekannter Länder.

Nach den Flaggen gehen wir mit Handicap Drei in die zweite Runde. Audio und Vogelstimmen. Während ich versuche, in Gedanken wenigstens die Namen zehn einheimischer Vögel zu rekapitulieren, wandern meine Augen durch die Riege meiner Teamkameraden. Ich sehe zu flügellosem Schwarmwissen akkumulierte Inselkompetenz. Benkow lässt sich nach hinten fallen, Flo dippt desinteressiert seinen Dip und Arni lässt den Schreiber auf das jungfräuliche Quizformular sinken. Und ich weiß: Hier, an diesem Tisch, ist keiner befähigt, auf der Basis eines akustischen Signals eine Nachtigall von einem Zebrafinken zu unterscheiden. Vielleicht hätte man doch besser Flaggen hören, bei Nordost Stärke Sieben zum Beispiel, und Vögel visualisieren sollen. 

 

Bei Geräusch Eins, einem getös aufsteigenden Schwarm, sind wir uns einig. Gänse! Obwohl es Schwäne sind. Dann bin ich mir einig. Ich diktiere unserem Schriftführer: „Taube.“  Flo, ein frisch getunktes Taco in der Hand, lehnt sich nach vorn und erhebt energisch Einspruch: „Uhu!“ Da ich mit Tauben quasi aufgewachsen bin, mein Opa hatte welche, werfe ich ein stochastisches Argument in die Runde, mit dem ich zumindest den anwesenden Betriebswirtschaftler auf meiner Seite weiß: „Hundertprozentig Taube.“ Benkow enthält sich und Flo spricht, nun ein Taco im Mund, neuerlich ein. Und imitiert einen Uhu. Wird verworfen, da es eindeutig nach Taube klingt.

 

Im Quizverlauf erreicht uns das tragische Gerücht, dass an einem der Konkurrenztische seit zwei Jahren ein Ornithologe auf eine solche Wissensrunde warten würde. Ausgerechnet heute weilt er jedoch zur Vogelbeobachtung auf Helgoland. Unser Mitleid hält sich in Grenzen und wir raten zwei Vogelstimmen weiter. Punktlos. Eines unserer Teammitglieder wirkt unfokussiert und schickt ein bisschen Dirty Talk ins Parterre. Dorthin, wo die Dudelhühner sitzen - jene Truppe, an der wir traditionell im einfachen Subtraktionsverfahren unser Handicap berechnen. Plötzlich klappert es aus den Boxen. Benkow rappelt sich aus dem meditativen Modus und öffnet die Lippen, die da formulieren: „Storch!“. Arni und ich reagieren mit postfaktischer Begeisterung: „Na klar, ist das ein Storch.“ Flo insistiert halbherzig, verweigert jedoch, SEINEN Storch zu akustisieren. Gleich im Anschluss amselt es und wir holen den dritten Punkt. Doppelschlag.

 

 

Macht mich nicht schlauer: Stummer Kranich auf dem Eis

 

 

Der angestrebte Hattrick misslingt. Nachdem wir Krähe und Möwe und Möwe und Krähe verwechseln, den Eichelhäher verkranichen, betätigt Longus Maximus ein letztes Mal die Wiedergabetaste. Ein stringentes Klopfen vor dem Abflug. Ich, der es mit seinem Wettangebot, neun von zehn Postautos an ihrer Farbe erkennen zu können, in den 90ern nicht ins Casting der berühmtesten bundesdeutschen Fernsehshow geschafft hatte, bin mir absolut sicher. Specht, total logisch. Stummes, euphorieloses Nicken im Rund. Obwohl keiner im Team den ominösen Abflug erklären kann.

 

Als ehemaliger Nebendarsteller bei einer sorbischen Vogelhochzeit hätte ich es besser wissen müssen.

 

Der Auerhahn, der Auerhahn, der war der stolze Herr Kaplan. Handicap Acht.

 

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