Unternehmen Zu(g)kunft



Greifswald (SPA):
Der ÖPNV in Mecklenburg-Vorpommern, und vermutlich nicht nur da, ist harscher Kritik ausgesetzt. Angesichts einer Reise von Greifswald nach Malchin hatte ich höchstpersönlich am Samstag die Gelegenheit, den Zustand des privatkraftfahrzeuglosen Transfers in die abgelegenen (und im übertragenen Sinne des Wortes "abgehängten") Gebiete des Bundeslandes zu prüfen.

Was benötigt es für eine solche Reise, die mit einem PKW über die Distanz von gut 70 Kilometern über manch marode Straßen (die bei einer teilweise großartigen Landschaft durchaus Nutzen bringen) in einer Stunde zu bewerkstelligen ist: Zeit und Geduld in der Vorbereitung, eine Prise Masochismus, Galgenhumor mit zynischen Anflügen, einen Spickzettel mit Eventualitäten und ein Buch. Dick. Alles vorhanden. 

Der Spickzettel entsteht während der Verbindungsevaluation im Vorfeld der Reise. Die ehemalige Kreisstadt Malchin wird aus Greifswald kommend mit Zwischenstopps sehr großräumig angefahren. Diese sind wahlweise in Pasewalk, Stralsund, Grimmen, Demmin, Neubrandenburg, Dargun, Bützow möglich. Bei Nutzung eines Linienbusses, korrekter: von Linienbussen, ergeben sich mindestens deren zwei. Allerdings erfordert das Studium von heutigen Busfahrplänen, durchsetzt mit unzähligen Kürzeln und Legenden (verkehrt von Mo - Do außer in den Schulferien; verkehrt Di, Mi, Fr; verkehrt nicht am Wochende außer vom ... bis ...; verkehrt eigentlich gar nicht, etc.) eine logistische Feinmotorik, derer ich nicht mächtig bin.

Die kurze Idee, mit dem Fahrrad zu fahren, wird durch mich nach einer Untersuchung der Pull- und Push-Faktoren verworfen. Zwar kalkuliere ich bei einer durchschnittlichen Trampelgeschwindigkeit von altersgerechten 17 km/h unter Nutzung aller mir bekannten Schleichwege ab Demmin mit einer ÖPNV-nahen Gesamtreisezeit und einer monetären Ersparnis in Höhe der Kosten eines MV-Tickets. Aber dem stehen die Befürchtung punktuellen Gegenwindes, der erforderliche Mittransport einer gut gefüllten Sporttasche und das Bedürfnis, einigermaßen mobil am Nachmittag das heilige Malchiner Grün zum Kickoff betreten zu wollen, entgegen. Also: Unternehmen Zu(g)kunft!

Über Pasewalk oder Stralsund oder Bützow. Alles Hose wie Jacke. Knappe drei Stunden. Ich entscheide mich für Pasewalk und die dort zu notierenden Eventualitäten.
Als ein erklärter Fan des persönlichen Verkaufsgespräches radle ich freitags nach der Entlassung aus dem Arbeitnehmer-Hamsterrad in die Kundenzentrale des Greifswalder Hauptbahnhofs und werde zum Zwecke des Erwerbs eines MV-Tickets bei einer freundlichen Mitarbeiterin vorstellig. Meine Frage, ob bei sechs Minuten Umstiegszeit der Anschlusszug via Malchin in Pasewalk warten würde, hört sich an wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Schlimmer noch: wie eine Bestellung! Die von der freundlichen Mitarbeiterin prompt bestätigt wird: "Da kann ich nichts dazu sagen. Aber das werden sie ja dann sehen."

Samstag. 8:38 Uhr. Abfahrt in HGW. Der Zug rollt. Bis Jatznick. In dem Straßendorf wenige Kilometer vor Pasewalk ist der Bahnübergang defekt. Autos rollen. Zug steht. Verspätungsdurchsagen durchdringen den Regionalexpress. Mir wird die Bedeutung der Kernaussage "Zukunft" in der Marketingstrategie der Bahn bewusst. Dann, danach, wenn die Zukunft zur Gegenwart wird. Frage an die Schaffnerin: "Wartet der Anschluss?" Antwort der Schaffnerin: "Keine Ahnung. Aber angerufen hab ich."

 

Pasewalk. 9:52 Uhr. Altersgerechter Intervallsprint mit Flip-Flops und Sporttasche quer durch das zwischen den Gleisen installierte Bahnhofsgebäude. Kein Blick für die funktional-historische Architektur. Da auf 4b - ein Zug. Mir wird noch sprinTiger. Rein und atmen. Dann ein Blick auf die Bahnsteiguhr: Abfahrt 10:43. Es ist der nächste ... Bestellung angekommen.

 

12:17 Uhr. An: Malchin.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Wolfgang aus Greifswald (Montag, 08 Juli 2019 23:34)

    Die Bahn tut alles, damit auch der/die Letzte in Pommern endlich vernünftig wird und - Auto fährt. #kraftdurchfeinstaub