Die Verartung der Kunst

 

 

Greifswald (SPA): Unseren Lesern in Irland, Sachsen, Australien oder anderswo eine einleitende Erklärung: "Was Greifswald bewegt" ist eine Facebook-Gruppe. Sie gilt als Hort antifaschistisch, demokratisch, humanistisch, gesamtheitlich und zukunftsorientiert denkender Menschen, die sich zum Zwecke der Administration eine externe Fachkraft von der anderen Seite des deutschen Globus bestellt haben. Denn Ostfriesen wissen, was Greifswalder bewegt. Die Meinungsfreiheit der Bewegten läuft gegen den Mainstream auf einem Mainstream und Kreuzungen sind abgeschafft. Freie Verbalfahrt für freie Bürger.

Als manipuliertes, lügen- und leitmediengeprägtes Individuum, das nach jeder Mahlzeit vor den Spiegel tritt, um den LinksGrünSiff fingerdick aufzuschminken, habe ich mich dort eher rar gemacht. Doch nun hat Peter mich markiert. Jener Peter, dessen "Peter" ein Kampfname ist und den ich einst im Laufe eines Meinungsaustauschs Franziska nannte, was mir putzigerweise von einer der sechs Franzisken dieser Gruppe (die sich in ihrer Identi(täri)tät getriggert fühlte) rechtlich unbegründete Verleumdungsklagendrohungen einbrachte.

 

 

So einer Markierung wohnt für gewöhnlich der aufrechte Wunsch nach einem Gespräch inne. In diesem Falle nicht allein. Denn Peter fragt nach einer Erklärung zu einem 22-sekündigen Videoschnipsel, den er (eventuell) im Underground des world wide web gefunden und nun für bewegte Greifswalder hochgeladen hat. Aufgrund einiger Säumigkeiten in der Intro erbitte ich ein wenig Kontext und bekomme ihn: Extinction Rebellion. Das Böse schlechthin. Es fröstelt mich und ich empfehle Peter ein wenig Geduld. In der Schwarmkompetenz kunstbelesener Bewegter, die  22-Sekunden-Sequenzen aus der Zauberflöte und dem Barbier von Sevilla aufgrund von Mimik, Gestik und bühnennahem Schreitverhalten unterscheiden können, werde er sicher die ihm passenden Erklärungen finden.


Screenshots: Was Greifswald bewegt (Facebook)

 

Im Blog widmet sich Brycke nun der vielfältigen Buntheit der zum Sachverhalt veröffentlichten Erklärungsversuche und ist bestrebt, den Wirrwarr aus historischen und gegenwärtigen Kunstbegriffen, mit dem die Sachverständigen inflationär hausieren gehen, zu entwirrwarren.  

 

"Da scheinen wohl einige Windungen durcheinander geraten zu sein. Würde mir so einer in Greifswald begegnen, wäre das wohl ein Fall für die Odebrecht Station 1. RTW rufen und ab in die Gützkower Land......."  (Dan)

Gleich im ersten Beitrag der sich nun entspinnenden Kunstdiskussion wird es nach einer noch vorsichtigen Diagnose ("scheinen") streng exekutiv. Der zweite Abschnitt der Ausführungen lässt darauf schließen, dass der kommentierende Theaterkundige über ausgezeichnete Ortskenntnisse und Schlüsselkompetenzen zum Absetzen eines Notrufs verfügt.

Denen würde ich die Geschäftsfähigkeit absprechen. (René) 

Auch dies eine exekutive Empfehlung. Leider lässt der Kommentator offen, ob er den Delinquenten wenigstens eine beschränkte Geschäftsfähigkeit zugesteht oder ob sie mit dem Muttizettel Brötchen holen müssen. 

Die haben mehr wie lange weile, rumlungern und dann den Affen machen. (Wolfgang)

Ein Kunstsezierer der alten Schule. Geschickt werden hier orthographische Kniffe und Widersprüche ("mehr wie lange weile" vs. "rumlungern") mit evolutionären Versatzstücken verknüpft, so dass ich dazu neige, dem Autor beim Absetzen dieses Kommentars auch ein wenig Selbstzweck zu unterstellen.

 

Die Welt ist verloren....  (Tina)

Diese Sachverständige setzt das Gesehene in einen globalen Kontext, schiebt diesem mit dem Verb "verloren" eine pessimistische Grundstimmung hinzu, die sie rhetorisch mit den auslaufenden Pünktchen dramaturgisch ins Unermessliche steigert, aber insgesamt offen lässt ...


.....auf die Bäume ihr Affen, der Wald wird gefegt... (Doreen)

... eine Dramaturgie, die im nachfolgenden Kommentar spontan aufgegriffen sowie durch eine nostalgische und emotionalisierende Interpretation (Anm.: Zitat aus einem Kinderlied) erweitert wird. Gewichtig wird diese durch den artgleichen, aber konkretisierenden ("auf die Bäume") evolutionären Ansatz aus Wolfgangs Überlegung (s.o.), womit sie, bewusst oder unbewusst, eine recht fluffige Synergie schafft.

 

Hier ist nichts mehr zu retten.. (Claudia)

Abgesehen davon, dass die in den beiden vorausgehenden Kommentaren
festgestellte Dramaturgie durch eine Verminderung der Pünktchen deutlich abgeschwächt wird, offenbart sich hier eine nahezu apokalyptische Endzeitstimmung wie sie sonst nur bei sogenannten Klimahysterikern festzustellen ist. Diese spielerische Ambivalenz - Endzeit hier, Endzeit da, dazwischen Claudia - macht diesen Diskussionsbeitrag so wertvoll.

Die sind wohl voll auf dem CO2 Trip (Frank)

Das Einatmen von Kohlendioxid kann laut gegenwärtiger medizinischer Erkenntnisse bei Menschen zu Kopfschmerzen und zu Bewusstlosigkeit führen. Der Szene der Kunstanalysisten eilt allerdings der Ruf voraus, über diese Bewusstlosigkeit hinaus mit Substanzen zu experimentieren, was sie letztendlich zu solchen Analysen befähigt.

Dazu fällt mir echt nix mehr ein (Grit)

Dieser Kommentar fällt hinsichtlich seines Mehrwerts ein wenig ab. Mehr fällt mir dazu auch nicht ein.

Leistungskurs Ausdruckstanz (Alexandra)
meinst die wissen überhaupt was das Wort Leistung geschweige Leistungskurs bedeutet? (Grit, Unterkommentar)


Damit erscheint die erste Präzisierung zur Kunstform in der hiesigen Diskussionsleiste. Was Grit einfallend veranlasst, von Einfallslosigkeit in eine bildungsschwangere Andeutung zu wechseln, deren Transparenz und Verantwortlichkeit sie jedoch mit dem abschließend gesetzten Fragezeichen sofort von sich schiebt.

Womöglich Quereinsteiger...!? (Stefan)

Dieser Kommentator glaubt, nahtlos an dem eventuell-vielleicht evaluierten bildungspolitischen Ansatz seiner Vorgängerinnen anknüpfen zu könnenwollen und manifestiert diese Unsicherheit durch zwei sich abstoßende Satzzeichen.

 

So ist es dann wohl ohne CO2 (Ralf)

 

Deutlicher Widerspruch zu Frank (s.o.). Entweder ist Ralf Novize in der Szene oder er möchte mit diesem Statement die Diskussion wieder bildungsferner gestalten.


Wahnsinn, nur noch bekloppte unterwegs (Michael 1)

Jedoch hat Ralf mit seinem Ansinnen gegen Michael keine Chance. Auch mit diesem Beitrag wird der Schwerpunkt auf die diagnostische Ebene gelegt, die eine besondere Betonung durch die Benutzung der Wörter "Wahnsinn" und "bekloppte" sowie ein neues, allgemeines Gefährdungspotential durch das Wörtchen "nur" und die Betonung der Mobilität ("unterwegs") beschwört.

 

Ein Kasperltheater . Vielleicht sollten sie es mal mit arbeiten versuchen. (Heiko)

Bei der Analyse des 22-Sekunden-Filmchen müssen bei Heiko alle Uhren stehen geblieben sein. Die verbleibenen 23:59:38 Stunden eines Tages sind völlig hinreichend, einer dem Analysisten genehmen Arbeit nachzugehen. Selbst wenn wir 20 Minuten Wegezeit abziehen. Diese logische Schwächung des Kommentars kann auch durch die Verwendung eines dialektbelasteten Begriffes ("Kasperl") nicht wettgemacht werden.

Kindergarten hat mehr Niveau. Aus der Gummizelle ausgebrochen oder bei der Geburt fallen gelassen, trifft es wohl eher. (Michael 2)

Wie bei seinem Namensvetter liegt bei Michaels Kunstbetrachtung der Fokus auf dem diagnostischen Gutachten. Allerdings mag er sich dabei nicht festlegen und verwirrt den Leser mit einem sehr nervösen und ungeordneten Gebrauch des Zeitstrahls.

Bin 59, 2 Kinder mit groß gezogen, habe 2 Berufe erlernt, auch ein wenig studiert, habe Jahrelang in der Fremde gearbeitet und viel gesehen. Sorry aber verstehen kann ich das nicht. Ist das was für intellektuelle selbstverliebte oder einfach nur Bewegungstherapie? Also Klimaskeptiker erreicht man damit sicher nicht. (Roland)

Roland möchte Chubby Checker wiederhaben. Der sang vor 59 Jahren "The Twist". "Sein 'Gesang' glich seinem Gesicht: dümmlich, stumpfsinnig und brutal. Der Bursche war völlig unmusikalisch (...) und röhrte wie ein angeschossener Hirsch, nur nicht so melodisch." ("Junge Welt" über Elvis Presley)


die tanzen ihren Namen (Michael 3)

 

Mit diesem Kommentar wird die Liste der Ihrennamentänzer (Montessori-Schüler, Freie-Schulen-Schüler, Linke, Grüne, LinksGrüne, Versiffte, Claudia Roth, Sozialpädagogen, Integrationshelfer, Langzeitstudenten, Kindergärtner, ...) um Extinction Rebellion (falls sie es im Video sind) erweitert. Mein Hinweis, der Herr im karierten Hemd (im Video) tanze soeben den Namen "Michael", wird durch den Diskutanten höflich dankend entgegengenommen.

 

Wo hat man da die Tore aufgemacht ?  (Ursula)

Mit diesem Beitrag suggeriert Ursula, die Vermutung von Türen bzw. Toren sowie einen Toröffner ("aufgemacht") gefunden zu haben. Die Suche nach demjenigen, der diese vermutlich geöffnet hat, bleibt allerdings im weiteren Diskussionsverlauf ungeklärt und dürfte Ursula ein wenig enttäuscht zurückgelassen haben.

hat die Klapsmühle Ausgang🤣🤣echt peinlich😂😂👏👏👍! (Torsten)

Im Gegensatz zu Dan (s.o.) wird in dieser Analyse von einer dem Ereignis vorangegangenen Arrestierung/Aufbewahrung der Kunstschaffenden sowie einem offenen Vollzug ausgegangen. Der mit dem Attribut "peinlich" erfolgte harte Bann wird durch das bedachte Setzen von sieben Emojs (rechts extremer als links) gestützt, lässt allerdings die Frage offen, ob dieser Beitrag in einem hellen Moment entstanden und gar den bis dahin Kommentierenden gilt. In diesem Fall birgt dieser Beitrag zutiefst anarchistisches Potential.

Die Drogen heutzutage werden immer besser  🤣🤣🤣🤢🤢🤢  (Thomas)


Mit dem Begriff "Drogen" hält auch das letzte Klischee Einzug in diese Kunstdiskussion. Wenn nicht Verrücktheit, so müssen doch wenigstens Drogen im Spiel sein. Wenn nicht sogar Beides. Oder alle Drei. Wobei die Drogen gestern schlechter waren. Und vorgestern noch schlechter.

 

Denkst du etwa, dass die Personen im Video völlig normal sind? (Peter)

Natürlich habe ich Peter darauf schon geantwortet (siehe Screenshot). Anderenorts erläutere ich das gern mit einer kleinen Geschichte: 


Als Junge von neun Jahren bückte ich mich im Wald zwischen Lohsa und Dreiweibern, dort wo sich später ein riesiges Loch mit schmerzenden Schreien in die Erde fraß (ich fragte mich immer, ob diese Schreie von den Baggern oder der Erde selbst stammten), nach einem Rudel Pfifferlingen, um sie zu pflücken. Da tauchte aus dem Preiselbeerkraut der letzte Säbelzahntiger Sorbiens auf, musterte mich, empfand mich als zu schmal, zu dünn, zu klein und entschloss sich, mit einem Rätsel aufzuwarten. Ein Rätsel, dass sein Vater in seinem Säbelzahn aufbewahrt hatte und dessen Vater in seinem Säbelzahn und dessen Vater und dessen Vater auch in seinem Säbelzahn ... Er zog also das Rätsel aus seinem Säbelzahn und fragte mich: "Wer ist normal? Der ADHSler, der im Angesicht eines Säbelzahntigers in die Höhle lief, seinen Speer und seinen Faustkeil holte, um das wilde Tier zu töten? Oder ist es jener, der beschloss zu warten, einen sehr großen Stein vor die Höhle rollte und am fünften Tag wegen einer Versorgungslücke das Freie betrat und nun vom hungrigen und geduldig ausharrenden Tiger gefressen wurde?" Bevor ich mit dem Überlegen am Ende war, rutschte etwas aus meinen Lippen: "Du lebst doch." "So dumm bist du gar nicht.", sagte der Säbelzahntiger und verschwand in den Preiselbeeren Sorbiens.  

Freiwillige Selbsterklärung: Dieser Blog entstand weder unter Einfluss von stimulierenden Substanzen noch in der Enge irgendeiner Anstalt. Zwischendurch habe ich einmal zu "Psychokiller" von den Talking Heads getanzt. Zur Entspannung. Allein. Während des Schreibens herrschte einen Außen- und Innentemperatur von 19°Celsius, die Sonne schien, der Wind wehte, wie so oft, leicht von NordWest.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    XY und Z (Dienstag, 15 Oktober 2019 20:04)

    Sehr cool geschrieben. Jetzt muss nur noch das Lachen aufhören.