Die Wiederauferstehung eines Instruments

 

Greifswald (SPA): Anlässlich eines kurzfristig anberaumten Balkonkonzerts trat am Mittwoch ein etwa 64-jähriger Mann auf seine Loggia in der Greifswalder Löfflerstraße (später stieg er noch hinab auf die Straße und spielte eine umjubelte Zugabe) und intonierte mit seinem Streichinstrument das allseits bekannte "Pommernlied". Das Besondere: Das Musikgerät, mit dem der Künstler die eingängige Melodie anstimmte, war eine Geitsche - das in Vergessenheit geratene Nationalinstrument der Pommern.

In der Form ihres Klangkörpers ist die Geitsche der wesentlich bekannteren Geige sehr ähnlich. Wenn nicht gar identisch. Sie wird mit einem herkömmlichen Bogen gestrichen, verfügt im Gegensatz zur Geige jedoch über eine fünfte Saite, die wegen ihrer Verstecktheit im anglisierten Neudeutsch als Hidden String bezeichnet wird. Geitsch als urpommersche Kennzeichnung für die versteckte Saite und somit namensgebend für das Instrument, erfuhr 1728 die Aufnahme in die Rote Liste der verschwindenden pommerschen Wörter. Während es sehr schnell aus allen Nachschlagewerken verschwand, fristete das Wort ein halbes Jahrhundert lang ein Ungebrauchsleben in einer wenig ausgeleuchteten Ecke der Stettiner Landesbibliothek. Bis es um 1779 vom schwedischen Wortdieb Oskar Wordstroem entdeckt sowie nach Valaskjalf entführt wurde und somit endgültig aus dem kollektiven Gedächtnis und Sprachgebrauch der Pommern entschwand. 

Wie kein anderes Instrument ist die Geitsche in der Lage, die momentane Stimmung der Bürger, diesen wilden Mix aus Geduld, Glauben, Gemach, Vertrauen, Verständnis, Mut, Verzicht in ein adäquates Klangbild zu kleiden. Sie ist das einzige Streichding der Welt, das sich in der hypermelancholischen, manchmal auch mimisierenden Tonart des U(n)-Moll bespielen und den Hörer zweifeln lässt, ob sich die Melodie gerade in der Ouvertüre oder in der Overtüre bewegt.

 

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