Jetzt auch auf Greifswald TV: Pazifistische Raubfische

 

 

Greifswald (SPA): Über viele Jahre galt die auf dem ZDF-Dokumentations-Kanal ausgestrahlte Raubfisch-Woche als absoluter Straßenfeger. Die faszinierenden, manchmal auch schockierenden Beiträge über tötende und attackierende Wesen der Unterwasserwelt, gespickt mit klaffenden Bisswunden, blutigen Verstümmelungen, bunten Verätzungen und tiefen Stichen ließen den deutschen Fernsehzuschauer weit und erstaunt in die Couchgarnituren sinken.

In diesem Jahr entschieden die Fernsehmacher, auch jenen Raubfischen einen Sendeplatz zu gewähren, denen es aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen nicht gestattet ist, zu töten, zu beißen, zu stechen oder zu verätzen. Diese Exemplare zeichnen sich in ihrer zurückhaltenden, pazifistischen Lebensweise durch einen starken Familiensinn aus und stiegen in der Nahrungskette bewusst ein paar Stufen hinab, indem sie schnöden Plankton oder Algen knabbern. Nach der weit verbreiteten Ansicht von Wissenschaftlern lässt sich diese Strömung bis in die Zeiten der Raubfisch-Reformation im 16. Jahrhundert zurückverfolgen.

So erstaunlich es ist, dass die pazifistischen Räuber bis heute überlebt haben, so wenig haben sich in diesem Jahr die Programmgestalter des ZDF einen Gefallen mit ihrer Schwerpunktlegung getan. Zumindest wird offenbar, dass der Zuschauer wenig Interesse daran hat, ein Dutzend friedfertiger Orcas dabei zu beobachten, wie sie einen Einbaum auf seiner 300 Kilometer langen Passage zwischen zwei polynesischen Inseln begleiten, ohne diesen in einem Blitzangriff nachhaltig zu zertrümmern und den eingeborenen Paddler in zwölf Stücken zu verspeisen. Als zur besten Sendezeit der 42-sekündige Drill ausgestrahlt wurde, mit dem der Greifswalder "Aali" Hollatz auf Teigköder einen gigantischen, aber quasi wehrlosen Hecht aus dem Feuerlöschteich Lodmannshagen zog, das Tier wenig murrköpfig den Haken lösen ließ und total friedfertig mit Hollatz für ein Foto posierte (siehe oben), brachen die Einschaltquoten endgültig unter 0,5 Prozent ein.

Das ZDF reagierte umgehend, erklärte, 2021 zu den gewalttätigen Wurzeln der Raubfisch-Woche zurückzukehren, verbannte die Pazifisten-Dokumentation in den Spartensender Kinderkanal und vergab die Zweitausstrahlungsrechte an Greifswald TV. Dort läuft die Aali-Hollatz-Sequenz in den Sendepausen in Dauerschleife. Wegen Lokalkolorit. 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Ben (Montag, 23 November 2020 19:36)

    Nach dem Tipp von Sabienes reingeschaut ... geniale Medienkritik.Toll, das zu lesen. Grüße aus Hamm