Die Aufweichung des Patriarchats im Leben der Schneewesen



Greifswald (SPA): Viele Winter mussten Menschen und Forscher in den tiefergelegenen Gebieten warten, dass sich Schneewesen in Vorgärten, an Straßenrändern oder auf Plätzen wieder öffentlich zeigen. Nun registrieren Beobachter auch in Greifswald und Umgebung wieder ein gehäuftes Auftreten dieser rätselhaften Spezies, die vom Menschen in simpler und traditioneller Weise mit der Bezeichnung Schneemann belegt wird. Auch, weil Schneefrauen in den historischen Urkunden, die bis zu den Schriften des Tacitus zurückreichen, kaum Erwähnung finden. Vielmehr lässt sich vermuten, dass deren punktuelles Auftreten in einem Akt der Versimplifizierung regelmäßig nur eine handschriftliche Notiz als männliches Mitglied dieser Art erfahren hat.

Diesem statistisch belegten Umstand ist zu verdanken, dass in uns streng-patriarchalische Vorstellungen zum Leben in der Gemeinschaft der Schneewesen verankert sind. Ist es schließlich vornehmlich der Schnee"mann", der in den Überlieferungen den raren Kontakt zum Menschen gesucht hat. Wenig kommunikativ, eher scheu, passiv und abwartend, aber immer noch repräsentativ genug, um von uns wahrgenommen zu werden. Über Jahrhunderte hat der Mensch versucht, die Beziehungen zu den Schneewesen zu intensivieren. Gastgeschenke wie Knöpfe, Äste, Möhrchen oder je nach Mode lustige Kopfbedeckungen nahmen die Geschöpfe allerdings regungs- und emotionslos entgegen. Jeder Versuch einer Domestizierung scheiterte zudem kläglich - Schneewesen neigen bei erzwungenem Indoor-Aufenthalt dazu, unter Ablegung der überreichten Accessoires und dem Hinterlassen einer mehr oder minder großen Pfütze einfach und grußlos davonzulaufen.

Nun tauchte am vergangenen Freitagnachmittag auf einer Hazienda nahe Greifswald ein Schneewesenpärchen auf, dessen Rollenverhalten neue Aufschlüsse für das Leben in deren Gemeinschaft zulässt. So posierten die beiden kurz nach ihrem Erscheinen mit Elementen (Foto oben), die vorhandene Vorstellungen zu geschlechtsspezifischen Handlungsmustern sowie Arbeitsteilungsmechanismen innerhalb einer solchen Beziehung zu bestätigen schienen. Der Schneemann zeigte sich, Multitaskingkompetenzen suggerierend, mit einem Bauwerkzeug in der einen und mit einem Fischfanggerät in der anderen Hand. Was zusätzlich Vermutungen, die Schneewesen würden archaischen Methoden der Nahrungsbeschaffung nachgehen, sofort befeuerte. Die Schneefrau hingegen präsentierte sich mit offenem Haar und einem archetypischen Reinigungsgerät, das deutliche Gebrauchsspuren aufwies.

 

Überraschenderweise hielt sie dann am Samstagmorgen (Foto rechts) zusätzlich ebenso ein Utensil zum Fischfang in ihrer rechten Hand. Die mittlerweile in Scharen angereisten Soziologen und Artenforscher hatten zwar trotz pausenlos ausgerichteter Teleobjektive aufgrund der Dunkelheit die Aufnahme des Geräts durch die Schneefrau verpasst, schlussfolgerten jedoch übereinstimmend, dass dieses Sozialverhalten unweigerlich und sofort zu einem Überdenken und Aufweichen überkommener Vorstellungen bezüglich patriarchalischer Lebensweisen in der Gemeinschaft der Schneewesen führen müsse.

 

An diesen Schlussfolgerungen wurde auch nicht gerüttelt, als die öffentlichkeitswirksame Präsentation des frischen Fangs am Montagmorgen allein dem Mann oblag.

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Kommentare: 2
  • #1

    Sybille (Dienstag, 16 Februar 2021 23:45)

    Ein sehr lustiger Text. Den Satz mit der Domestizierung kann ich mir zehnmal durchlesen und muss elfmal loslachen. Schöne Umschreibung.

  • #2

    Sabiene (Mittwoch, 17 Februar 2021 16:38)

    Liebe Schneemann*innen oder:
    Suche Schneemann m/w/d

    Korrektes Gender ist gar nicht so schwer!
    LG
    Sabiene von www.sabienes-welt.de