7 Tage ohne Interferenz

 

 

 



Greifswald (SPA):
Dienstag und Feierabend. Kurz nachdem ich mich der immer noch aktuellen Fahrradthermojacke entledigt habe, just in dem Moment, als ich im Kühlschrank nach einem Abendbrot frage, klingelt das Telefon. Eine zarte Frauenstimme stellt sich mir als persönliche Kundenberaterin meines Telekommunikationsanbieters vor. Ich lausche und irgendwer im Orbit setzt nun eine Parallelschaltung in Gang. Mit null Interferenz.

In die Couch sinkend empfange ich via Telefon Schmeicheleinheiten. Treuer Kunde und so. Dann möchte mir meine neue Kundenberaterin ein Geschenk unterbreiten. Also: ein bisschen geschenkt. Für die ersten drei Monate. Mein Nein-Reflex erstirbt angeohrts dieser angenehmen, ja, fast erotischen Stimme und der Erinnerung an Worte meiner Tochter, nach denen sie sich ein Tablet kaufen möchte. "Sagen Sie mir bitte nochmal ihren Namen." Sie nennt ihn. Buchstabiert ihn. Ich notierte 14 Lettern, exotisch, aus einer anderen Welt. Oder von einem anderen Stern. Dreimal Richard. "Schicken Sie mir doch einfach die technischen Daten per Mail zu. Dann reden wir morgen nochmal drüber." Zwei Stunden später leite ich die Beschreibung an meine Tochter weiter. 

Mittwoch

"Nö, Papa. Spar doch für ein iPad.", lautet die Nachricht, die meinen Nein-Reflex zum Leben erweckt. Dann wähle ich die gestern notierte Nummer. Sekunden später versichert mir einen männliche Stimme, dass er meine persönliche Kundenberaterin nicht kenne. Ich buchstabiere. Weniger erotisch. Mit Lausitzer Ortsnamen. Dreimal Ruhland. Nein, ich kenne sie wirklich nicht. Benenne mein Begehr. Erhalte die Nummer der Stornoabteilung. Wähle im Glauben, nix stornieren zu müssen, diese Nummer.
"Ihr Paket befindet sich bereits in der Auslieferung."
"Habe nicht erwartet, das nun verhindern zu müssen."
"Die Auslieferung ist auch nicht mehr zu verhindern."
"Ihr seid lustig. Was soll ich jetzt tun?"
"Lehnen Sie die Entgegennahme des Pakets einfach ab, wenn der Postbote da ist."
"Oh, so einfach."
"Halten Sie unbedingt Ihren Ausweis bereit."

Donnerstag

Ein wenig nostradramisch radle ich nach dem Feierabend in meine Wohnung. Der Blick in den Briefkasten beschert mir das zwiespältige Gefühl, Talent für Prophezeiungen zu haben. Ein Treppe hoch, klingele ich einen Nachbarn aus dem Wohnzimmer. Herr B. öffnet die Tür mit meinem Paket unterm Arm. Ein Monstertablet, denke ich noch und frage Herrn B., ob er sich bei Empfang ausweisen musste. Ernte rühriges Kopfschütteln, steige zwei Etagen höher und greife zum Telefon. Erreiche einen ahnungslosen Kundenbetreuer. Ganze Story von vorn. "Im Paket finden sie einen Retourschein. Und eine Vertragskündigung sende ich Ihnen zu." Nach dem Auflegen denke ich noch: Was Vertrag? Schaue auf das Paket, schaue auf die Uhr, schaue in den Regen. Mach ich morgen.

Freitag

Clever und pfiffig wie ich bin, nehme ich auf dem Weg ins Wochenende einen kleinen Umweg, um die Öffnungszeiten der Post zu evaluieren. Treffe Matthes von der Konkurrenz meines Telekommunikationsversorgers, den meine Geschichte amüsiert. Obwohl sie noch nicht zu Ende ist. Daheim überbrücke ich die Zeit der Post-Mittagspause mit einem Kaffee. Suche mir ein feines Schlitzwerkzeug und schlitze unter Zuhilfename feinmotorischer Kompetenzen das Paket. Viel Luft. Zwei Zettel. Ein Vertrag. Eine Rechnung über 0,00€ sowie der Ankündigung von Folgekosten. Eingeschweißtes Gerät. Kein Retourschein. Ich wähle die Nummer des Kundendienstes. Ein Mann, der (noch) von nichts weiß. Nein, die Kündigung habe ich nicht im Computer. Das hat der Kollege wohl vergessen. Sende ich Ihnen zu. Kein Retourschein? Sende ich Ihnen zu. 

Sonnabend

In meinem Mail-Postfach finde ich die Kündigung eines Vertrages, den ich nicht abgeschlossen habe. Einen Retourschein finde ich nicht. Nun erbitte ich per elektronischer Post. 

Sonntag

Das Paket glotzt mich an. Ich decke es ab. Mit einem Monsterhandtuch. 

Montag

Der Retourschein ist da. Digital als PDF-Dokument. Ziemlich eng am Rand, denke ich noch, als ich meinem Bürodrucker einen Befehl erteile. Der zieht durch, zerschneidet mir den QR-Code mittig und lässt die Auftragsnummer ganz weg. Dreiviertel Retourschein. Ich vermute eine nachhaltige Störung der postalischen Kompatibilität. Versuche nun, die Druckereinstellungen zu ändern. "Bitte nehmen Sie Kontakt zum Admistrator auf." Nun screenshotte ich. Importiere nach Paint. Benutze digitale Schneidwerkzeuge. Drucke. Dann ist er da. Frisch ver- und beklebt verschwindet das Paket um 17:11 Uhr in einem Hinterzimmer der Post.

Irgendwer im Orbit knallt in diesem Moment die parallele Schaltung raus.   

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Sabiene (Mittwoch, 05 Mai 2021 16:39)

    Kein Wunder, dass das mit dem Impfen nicht voran geht ...
    LG
    Sabiene von sabienes-welt.de

  • #2

    Robert (Mittwoch, 05 Mai 2021 19:49)

    Überragender Artikel! Danke dafür.