Greifswald (SPA): Mit einem virtuellen Eimer Honig und Ruhepuls Acht transferiert sich Sache I.S. am Nachmittag des 21. Dezember zum vorweihnachtlichen Clearing in Richtung Arbeitsstube des Schulrates B. In den letzten Winkel des verwinkelten Schulamts, so fast am Ende, mit winterlich-schwerem Schuhwerk über dicke Fußbeläge (VEB Halbmond-Teppiche Oelsnitz?) gleitend, die immer noch hinreichend knarzendes Dielengeräusch in die gehöraffine Atmosphäre wirbeln, dass jeder hier Beschäftigte weiß: "Huch, da kommt ja jemand."
Schulrat B. bittet hinein. Honig in die Ohren, viel Honig, Verständnis äußern, eine Menge Arbeit natürlich, natürlich spezieller Fall, nicht ganz so einfach natürlich. Sachlage schildern und
kleine Zugeständnisse machen. I.S. hat massenhaft Kommunikationsseminare besucht und kann es hin und wieder anwenden. Ausreden lassen, auf die Feinheiten in der Körpersprache des Gegenüber
reagieren, auf die eigene achten, Arme nicht verschränken, Brust und Kopf gerade, lächeln. Nichts im Halse stecken lassen. Multiples Multitasking. Der Honig wirkt, B. gibt sich verbal generös. Er
wolle nochmals besprechen, genau hinschauen, was geht, lösen. Sache I.S. sagt: "Nochmal: Wechselbedingung war kein Minus. Dazu benötige ich eine schnelle Klärung." Daraufhin geht
der Schulrat. "Bin gleich wieder bei Ihnen." Für zehn Minuten. Als er sein Büro wieder betritt, meint er: "Die müssen sich verrechnet haben. Rufen Sie mal in Neustrelitz
bei der Besoldungsstelle an." Hat er das soeben in einem Nebenzimmer recherchiert? Abschied und Frohe Weihnacht.
Wider Erwarten erreicht er am nächsten Vormittag noch jemanden in Neustrelitz. "Nein, das ist alles so korrekt." Alle latenten Selbstvorwürfe, in Gehaltstabellen nicht
richtig gelesen zu haben, verfliegen. Wenn selbst der Schulrat nicht weiß ...
Um dessen familiäre Weihnachtssession nicht zu stören, wartet die Sache I.S. mit einer Mail bis zum 29. Dezember und versendet erneut Anlagen, die in der Behörde selbst bereits auf verschieden
Schreibtischen herumlungern:
Natürlich sind all diese Schriftstücke an die Schulleitung weitergeleitet worden. Die klinkt sich wohlwollend ein - gegen die Mühlen der Bürokratie ist auch sie machtlos. Währenddessen ist an der
Schule Stress. Die Ausfallzahlen sind so, dass Lehrer I.S. mittlerweile in allen Klassenstufen von 5 bis 10 Mathe gibt, neben den regulären Stunden, wie andere oft in Vertretung, oft ad hoc. Man
bewegt sich in Richtung Notenschluss, Zeugnisse, Winterferien. Seine telefonischen Rückfragen bei Schulrat B. und Sachbearbeiterin L. bleiben ergebnislos. Bis ihm beide im Abstand von wenigen
Minuten den Satz "Sie hätten den Vertrag ja nicht zu unterschreiben brauchen" in die Gehörgänge hauchen. Mit dem Konter haben sie nicht gerechnet, falls die Sache I.S. das dem
nachfolgende Schweigen richtig deutet: "Heißt das, Sie, das Schulamt, haben mir einen Arbeitsvertrag vorgelegt, den ich hätte nicht unterzeichnen sollen?"
Seine Unterlagen, sein Antrag auf Lehrbefähigung liegen mittlerweile beim Institut für Qualitätsentwicklung (IQ) in Schwerin. So eine Art Lehrer-TÜV, Qualitätsmanagement, juristisch
fundierte Begutachtung, dem Ministerium zugehörig. Auf einen Tipp hin telefoniert die Sache I.S. dort mit Frau K., ziemlich weit oben in einem weiteren Organigramm aus der Hölle. Es ist ein recht
freundliches Gespräch, die Bearbeitungsfrist liege bei etwa sechs Wochen, er wird an Frau R. (jene mit dem "Kurz"antrag vor vier Monaten, Ironiesmiley) und Sachbearbeiterin P. als
Ansprechpartnerinnen verwiesen. Das ist ihm nicht genug.
Von abklingendem Fieber, Husten und Rotzwasdienasehergibt getrieben, erinnert er sich an die Worte von Frau Bildungsministerin O., jeder und jede könne sich mit Problemen direkt an sie wenden. An
die Spitze des Eisbergs. Der Lehrer und die Sache I.S. schreiben nun gemeinsam einen Brief. Vier ganze Seiten. Nichts, was der hiesigen Leserschaft unbekannt und verborgen geblieben ist. Außer
die Fragen. Nach Gesetzen, Fristen, Kompetenzen, Prüfungen, Suggestionen ... Dingen, die bei der Beseitigung des Lehrermangels hinderlich sind und stattdessen Lehrer in die Mangel nehmen. Über
einen gemeinsamen Bekannten lässt I.S. ihr diesen Brief am 6. Februar zukommen. Dieser Freund verschickt ihn über den dienstlichen und privaten Account. Eine Reaktion darauf wird es bis Mitte Mai
nicht geben (aber dazu kommen wir noch).
Zwei Stunden nach dem Versenden dieses Briefes pult I.S. ein Schreiben des Schulamtes aus dem Breifkasten. Versendet von Frau L., bezugnehmend auf seine Mail vom 29.12. (siehe oben), ohne Unterschrift. Sieben Monate nach Eingang/Prüfung seiner Unterlagen (Memo: jede Instanz hat zehn Tage Zeit) präsentieren die Koryphäen der Lehrerverwaltung eine Gesetzeslage, nach der die Lehrtätigkeit der Sache I.S. an verschiedenen Schulen wegen Verjährung nicht anerkannt wird, da man jene in der Berufsbildung nur ein wenig, bissel vorne an, und schon gar nicht in dem Maße anerkennen kann, das einer Verjährung entgegenspricht. Krasser Move ... mindestens das in Teil 3 und auf der Webpräsenz des Ministeriums erwähnte Fallbeispiel der Biochemikerin muss ein Fake sein. I.S. kämpft mit seinen Impulsen, streicht dann Frau L. und Herrn B. wegen unnützer Toxigkeit aus seinen Kontakten, leitet das Schreiben an Schule und nach Schwerin weiter. Aber es sind Ferien.
Zwei Wochen nach diesem Schreiben führt er gesundet nochmals ein längeres Telefonat mit Frau R. beim IQ MV in Schwerin. Er übersendet (auch) ihr circa zehn Zertifikate, die externe und interne
Weiterbildungen mit pädagogischem Bezug in einem Umfang von mindestens 300 Stunden aus den letzten Jahren seiner Beschäftigung nachweisen. Derweil erbringen die regelmäßigen Telefonate mit Frau
P. in derselben Dienststelle null Erkenntnisgewinn. Abgesehen davon, dass sie trotz Zusagen äußerst rückrufscheu agiert, erfährt Sache I.S. im Zufallsverfahren (Besetzt und Nicht
erreichbar besitzen höhere Wahrscheinlichkeiten) deckungsgleiche Aussagen wie liegt dortunddort, versuche, Mitarbeiter zu erreichen, habe Mitarbeiter nicht
erreicht, wollte mich gerade bei Ihnen melden, melde mich zurück. Bla und bla und bla.
So schleicht die von Frau K. vermeldete Bearbeitungszeit von sechs Wochen Mitte März unter dem Himmel Mecklenburg-Vorpommerns aus. Mitte April vier Wochen und etliche Blablablas später, steckt
ihm eine befreundete Lehrerin aus einer anderen Schule, dass sich die Ministerin der Bildung im hiesig zuständigen Amt, hier in der Provinz, ihren Untertanen zu einem Gespräch präsentieren wolle.
Die Sache I.S. bewirbt sich ... sicher hat der darauf folgende Mailwechsel erstmal wenig mit der eigentlichen Sachlage zu tun, trotzdem bittet er uns, diesen aufgrund des abgebenden,
bezeichnenden Bildes zu veröffentlichen.
Hätte Schulamtsmitarbeiterin D. ein weitere Konkretisierung des Gesprächsthemas eingefordert, wäre sein Vorschlag "Die Auswirkungen des Falklandkrieges auf das Sexualleben der Argentinier" gewesen. Der Gedanke wird mit einer Zusage am 21. April obsolet. Die Sache I.S. ist eine von acht Lehrkräften aus dem Schulamtsbezirk, denen das Amt eine 15minütige Audienz bei Frau Ministerin gewährt. Am 17. Mai um 16:45 Uhr. Noch vor diesem Termin allerdings meldet sich Frau P. per Mail aus Schwerin ... davon aber erfahrt ihr in Teil 5.
Kommentar schreiben